Die Situation mag schwierig sein, aber ich halte sie dennoch für völlig normal. Es ist normal daß ein Hund von 10 Monaten versucht seine Ressourcen zu verteidigen und die nach Möglichkeit ranghöchste Stellung einzunehmen. Dafür nutzt er seine artüblichen Möglichkeiten. Genau so normal ist es daß sich eine selbstbewußte 3-jährige Hündin (und ich gehe jetzt mal davon aus daß diese Hündin selbstbewußt ist, allein schon deswegen weil sie ein Terrier ist) nicht klaglos einem 10 Monate alten Rüden unterwirft. Solch ein Verhalten wäre aus zwei Gründen unnatürlich: 1.) Vom Alter der Hunde her gesehen, und 2.) gibt es dieses Unterwerfen im Wolfsrudel sowieso nicht in der Art, wie wir uns das vorstellen, zwischen den einzelnen Geschlechtern. Wölfe haben keine Hackordnung wie im Hühnerhof, und was die Wölfinnen trieben interessiert die Wolfsrüden meist nicht oder nur wenig und umgekehrt. Es bestehen also in einem intakten Rudel mehr oder weniger zwei parallele Rangordnungen nebeneinander.
Die andauernden Trennungen machen die Sache auch nicht besser. Täglich muß auf's neue die Sachlage geklärt werden, und jedesmal spielt dabei die Ressourcenverteidigung (Frauchen!) eine große Rolle. Untereinander ausfechten lassen kann man das die Hunde aber auch nicht, denn wir Deppen von Mensch haben Urvater Wolf dafür in zu verschiedene Größen- und Kräftedimensionen verzüchtet. Und wir geben unseren Hunden auch nicht die Möglichkeit, abzuwandern und sich einem anderen Rudel anzuschließen oder ein neues zu gründen, wenn ihnen ihre Gesellschaft untereinander ncht paßt, so wie es in der freien Natur in solchen Fällen üblich ist.
Der intelligiente Mensch sollte sich unter den von ihm geschaffenen Grundlagen von der Auffassung verabschieden, daß es generell möglich ist jeden beliebigen Hund mit einem anderen zu vergesellschaften, und daß danach weiterhin ein harmonisches Leben möglich ist. Selbst wenn es nicht zu Eskalation kommt (in dem Fall wäre bei der Konstellation kleiner Terrier + Schäferhund dann der Terrier tot), gibt es meist mindstens einen der unter solchen Verhältnissen leidet.
Es bleibt nur dem offensichtlich "stärkeren" Hund (das ist jetzt nicht rein körperlich gemeint, sondern auch mental) den Rücken zu stärken. Das scheint zum Glück der Schäferhund zu sein, denn wäre's der Terrier, könnte der Prozess viel schwieriger werden. Und hier setzt jetzt falsches Verhalten der Hundehalter an = Vermenschlichung. Wieso sollte es der Schäferhund dulden daß "der Boss" in seiner direkten Anwesenheit ein erwachsenes rangniedrigeres Rudelmitglied begrüßt? Das würde ein ranghoher Wolf nicht tun. Der würde den "Underdog" links liegen lassen und den ranghöheren, wenn überhaupt, nur mal kurz beachten. es schenkt nur der Rangniedrigere dem Ranghöherern viel Beachtung. Macht jetzt der Mensch in den Augen des Schäferhundes um den kleinen Terrier viel Gedöns, muß sich der Schäferhund völlig berechtigt über den Geisteszustand "des Bosses" Gedanken machen und wird zum dem Schluß kommen, daß "Boss" mental nicht in der Lage ist sein Rudel zu führen. Und jedes halbwegs anständige Rudelmitglied muß dann versuchen die Zügel in die Hand zu nehmen und die Ordnung wieder her zu stellen. Denn von der Struktur des Rudel hängt dessen Überleben ab.
Ich empfehle als Lektüre "Wölfisch für Hundehalter" und auch "Affe trifft Wolf" von Günter Bloch und Elli Radinger sowie "Einer geht noch...: Tipps zur Mehrhundehaltung" von Petra Krivy und Angelika Lanzerath. Vor allem das "Wölfisch für Hundehalter" wird helfen können die Situation "im Rudel" erst einmal richtig einordnen zu können, was wichtig ist um einen wirklichen Lösungsansatz zu finden.