Erwartungshaltung, Stress, Frust, Ruhe, Entspannung

  • Habe jetzt einfach mal alle Wörter in den Titel gepasst, die mir hierzu eingefallen sind.


    Ich habe das Gefühl, viele meiner "Probleme" mit Hiwa haben den gleichen Ursprung: fehlende Frustrationstoleranz und eine starke "Ich will!"-Haltung auf Seite des Hundes.


    Zuallererst Mal: Zuhause und im Alltag ist Hiwa mittlerweile ein super Hund. Absolut entspannt in der Wohnung, auf normalen Gassi-Gängen auf dem Hinweg, ich nenne es mal liebevoll "energiegeladen und bereit," während dem Freilauf aber wieder super geistig anwesend und gelassen, und auch der Rückweg ist immer total entspannt.


    Bei uns sind es wirklich nur die "nicht-Alltag-Situationen." Zum Beispiel, wenn ich alle paar Wochen mal ihren heißgeliebten Ball mit auf den Gassigang nehme. Dann fängt sie zuhause schon an zu hecheln und fiepen und kann sich vor lauter Vorfreude kaum halten. Wenn ich dann doch nochmal aufs Klo muss, ist Madame schnell mal frustriert, aber nichts, was jetzt super wild wäre.


    Ähnlich sieht es aus, wenn mein Partner mit auf den Spaziergang kommt und wir nicht bei uns aufs Feld gehen sondern in den Wald fahren. Sie merkt das und fängt an uns Freudenlieder zu singen.


    An sich ist das jetzt alles nichts, wo ich sage, "das muss sich ändern!" Jetzt waren wir neulich aber zum ersten Mal bei Hobby-Agiliity-Training. Und die Trainerin meinte zu mir: "Puh, die ist ja schon ganz schön gestresst." Hiwa war halt im... "Wann geht es los? Wann geht es los? Wann geht es los?"-Modus. Umso länger sie warten musste, umso unruhiger und zappeliger wurde sie und stand schon ziemlich "unter Strom." Da habe ich mich dann gefragt... "Stress" ist ja wenn es zu viel wird schlecht. Gleichzeitig will ich ja aber auch nicht, dass mein Hund tiefenentspannt durch den Agility-Parcour schlendert. Wo ist denn da die Grenze zu "zu viel Stress, da muss man dran arbeiten"?


    Heute war dann die Situation, die ich persönlich eigentlich am frustrierendsten fand. Wir haben Hiwa zum ersten Mal mit zum Angeln genommen. Ich dachte mir: zum Angelplatz ist das ein schöner Spaziergang durch den Wald, dann kann der Hund mal so ne halbe Stunde "Ruhe üben," dann können wir nochmal ein bisschen in den Wald während der Mann angelt, dann nochmal ein bisschen "nur zuschauen." Tja. Ich hoffe Fische haben keine Ohren?? Hiwa hat durch den kompletten Wald Klagelieder geschrien. Fand sie absolut beschissen, dass ich sie da an den Baum gebunden und mich mit nem Buch daneben gesetzt habe während mein Freund die Köder ausgeworfen hat.


    Ich habe eigentlich mit ihr von klein auf viel Impulskontrolle geübt. Sie jagt schon gerne, habe sie aber soweit, dass sie Vögeln und anderen kleinen TIeren nicht mehr hinterher rennt und auch wenn ich Bälle werfe kann sie sich beherrschen. Aber heute war das die reine Qual für sie und für mich dass da dauerhaft Köder geworfen wurden und sie eben nicht hinterher durfte.


    Das mit dem Angeln üben wir auf jeden Fall noch öfters, auch wenn ich zwischenzeitlich Sorge hatte, jemand denkt ich quäle meinen Hund. Aber nach heute Frage ich mich... wie viel Ruhe soll ich meinem Schäferhund beibringen? Wie gesagt, zuhause gar kein Problem, auch Zelten oder ins Café null Problem. Das sind alles Sachen, daq merkt sie irgendwie, dass jetzt halt wirklich keine Action ist sondern alle anderen auch ruhen. Aber bei allem wo sie im Kopf hat: "Jetzt gibts Spaß!" und sie dann nicht darf ist es echt anstrengend. Allerdings wüsste ich tatsächlich auch nicht, wie ich sowas groß trainieren soll. Sie ist ja nicht dumm. Wenn ich zuahse den Ball nehme und sie merkt, dass ich genervt bin weil sie schon wieder das singen beginnt, geht sie auf ihr Platz und legt sich hin. Entspannt ist sie dann aber trotzdem nicht sondern wie eine gespannte Feder. Ich kann mich dann auch nochmal ne halbe Stunde hinsetzen und Kaffee trinken, sobald ich in Richtung Tür gehe, schießt die los wie ne Rakete.


    Mich interessiert tatsächlich weniger konkrete Tipps sondern mehr eure Meinung allgemein zu Themen wie Erwartungshaltung, Stress, Frust, etc. Wie ist das bei euren Hunden, worauf legt ihr Wert, was ist "zu viel" Frust/Anspannung?

  • warst du direkt mit ihr neben deinem Freund?

    Oder wart ihr ein paar Meter von ihm entfernt?

    Ansonsten ich kenne weiße als sehr kommunikative Brabbelhunde.

  • Wann es zuviel ist, ist sehr individuell.
    Ich finde, wenn der Hund sich zu stark reingesteigert hat, da ist auch kein lernen mehr möglich.

    Das ist zu viel.

    Ansonsten könnt ihr solche Situationen nur immer wieder üben und dann wirklich bis sie nicht nur ruhig, sondern entspannt ist.

    Hab ich erst gestern gemacht.
    Hicks ist sein Bach das Allerheiligste.

    Ich hab ihn ausgeladen und weil er sich zu hochgefahren hat, wieder eingeladen und bin mit Cody allein an den Bach - Hicks konnte vom Auto aus zusehen.

    Er durfte dann später nochmal raus und es ging bis zum Bach, aber diesmal nur Ruheübung daneben und kein Wasserspaß.

    Einfach die Erwartungshaltung kippen, denn das ist es bei euch auch, wenn der Ball mit kommt.

    Der kommt jetzt halt immer mit, aber er ist nur dabei und sonst nix!

  • Was einem leicht passiert mit so einem Typ Hund, ist dass man "Capping" macht anstatt Ruhetraining.


    Capping Hundetraining


    Capping ist eine Methode um den Hund in maximalen Drive zu bekommen. Man spannt sozusagen den Bogen bis zum Anschlag um dann den Pfeil mit der grössten Schussenergie loszulassen.


    Wenn man also einen so energiegeladenen Hund vor einer in Aussicht stehenden Aktivität in eine kontrolllierte Position bringt, komprimiert man die Energie im Hund, die dann nach Auflösen dieser Kontrollpostition explodiert und expandiert wie eine Spiritusflamme.


    Zu viel Stress für einen Hund finde ich, ist, wenn der Hund permanent oder den grössten Teil der Tageszeit unter Spannung steht. Sofern der Hund in der Lage ist in den Ruhezeiten auch wirklich ruhig zu sein und abzuschalten finde ich, ist es nicht ein zuviel von Stress. Wenn ein Hund mit Stressanzeichen kaum mehr ansprechbar ist, schlecht Futter nimmt oder dabei grob wird und seine Feinmotorik nicht kontrollieren kann, ist es zu viel Stress auch in einer momentanen Situation.

  • Als erstes Mal fängt dein Beitrag positiv an und du bist im Alltag sehr zufrieden, das ist doch schon mal was :)


    Neue Sachen bringen einfach zu viel Vorfreude, also ist hier die Routine wahrscheinlich angesagt.


    Bei Enzo war es damals vor den Spaziergängen so, dass er während ich mich angezogen habe, hechelnd hin und her rannte. Die Ratschläge mich dann wieder auszuziehen und mich wieder hinzusetzen etc waren dermaßen kontraproduktiv und fuhren in einfach nur noch höher. Ins Platz legen die absolut bescheueteste Idee. Deshalb habe ich ihn einfach machen lassen und bin dann losgegangen. Und tatsächlich wurde es dann dauerhaft besser.


    Mit Quinto mache ich ja mittlerweile auch Agility und zwar nur über Ruhe. Anfangs vor die Hürde gesetzt, an meine Startposition und wieder zurück und Keks. Der sitzt wirklich bombenfest, allerdings sage ich beim Erreichen meiner Startposition immer noch einmal Sitz. Die Kontaktzonen beim Abgang bestätige ich immer mit Keks, jedes Mal! Das einzige wo er noch aufdreht ist, wenn er nicht genau weiß, was ich als nächstes will, dann dreht er und bellt. Insgesamt finde ich hier gerade die Anfänge wichtig. Einen Energie geladenen Hund bekommst du immer schnell, einen völlig aufgedrehten Hund wirst du niemals richtig lenken können. Leider ist es in der Agility Szene sehr verbreitet den Hund einfach nur zu pushen :rolleyes: am besten noch permanent mit Spieli in der Hand ||

  • Die Ratschläge mich dann wieder auszuziehen und mich wieder hinzusetzen etc waren dermaßen kontraproduktiv und fuhren in einfach nur noch höher. Ins Platz legen die absolut bescheueteste Idee.

    Jap! Das ist Capping!

  • Bei Enzo war es damals vor den Spaziergängen so, dass er während ich mich angezogen habe, hechelnd hin und her rannte. Die Ratschläge mich dann wieder auszuziehen und mich wieder hinzusetzen etc waren dermaßen kontraproduktiv und fuhren in einfach nur noch höher. Ins Platz legen die absolut bescheueteste Idee. Deshalb habe ich ihn einfach machen lassen und bin dann losgegangen. Und tatsächlich wurde es dann dauerhaft besser.

    bei mir isses genau umgekehrt gelaufen. Fiasko hat anfangs gar nicht geschnallt, dass es raus ging, wenn ich Richtung Eingangstür gegangen bin. Nu hab ich nen nervösen Hibbel, der singt und mich abschlabbert. DAS macht er aber nur bei mir!!! Suche nun nach ner Lösung :rolleyes:

  • Was einem leicht passiert mit so einem Typ Hund, ist dass man "Capping" macht anstatt Ruhetraining.


    Capping Hundetraining


    Capping ist eine Methode um den Hund in maximalen Drive zu bekommen. Man spannt sozusagen den Bogen bis zum Anschlag um dann den Pfeil mit der grössten Schussenergie loszulassen.

    Heißt das jetzt Capping?

    Ich kenne das (nach Raiser) als Pressing... Trieb - zwang - trieb - zwang..

  • Heißt das jetzt Capping?

    Ich kenne das (nach Raiser) als Pressing... Trieb - zwang - trieb - zwang..

    Oh, keine Ahnung. Ich spuke immer im englischen Hundenet rum, da heisst es so, bezieht sich darauf, dass man den Hund eine passive Übung aktiv ausführen lässt, d.h. der Hund macht z.B. Platz aber die ganze Energie ist komprimiert in dem Platz und wartet nur auf die Freigabe für die nächste Übung um sich darin zu entladen.

    Also ein "Unterbrechen" einer Aktion durch das Einnehmen einer statischen Position aber die Energie bleibt erhalten, ist nur kurze Zeit statisch eingefroren. Führt dann zu explosivem Folgeverhalten/Folgeübung.


    (Axel kann das super! :D :D Haben wir recht viel geübt als er klein war und ich nicht wusste dass es das gibt)

  • Es hört sich erstmal so an als hättet ihr im Alltag eine gute Balance und das ist erstmal das aller wichtigste würde ich sagen. Wenn die Routinen sitzen, können die Hunde Stress, den sie immer mal aus verschiedenen Gründen haben, denke ich zumindest gut kompensieren.


    Es ist halt auch einfach ein Teil der Genetik, der dafür sorgt, dass bestimmte Hunde, bei der Aussicht auf Arbeit oder Aktivität so schnell hochfahren.

    Ich habe ja einen Schäferhundmix und die arbeitet auch gerne mit mir, aber sie dreht jetzt nicht schon in Erwartung darauf durch xD


    Zum Thema agility.

    Also ich denke es spricht nichts dagegen das mit dem Hund zu machen. Ich habe auch schon am Schäferhundeplatz agility gemacht und musste feststellen, dass da einige Hunde so hochfahren, dass sie während dem Training immer im Auto warten müssen, weil sie sich selbst sonst fix und fertig machen und auch ehrlich gesagt ziemlich nerven. Ich habe auch schon Hunde gesehen, die nur mit Frisbee im Maul agility machen, weil sie sich sonst so in rage bellen, dass gar nichts mehr geht.

    Ich habe mit meiner Hündin gezielt geübt, dass sie beim agility in den Trainingspausen auch wirklich Pause macht. Aber da muss jeder schauen, dass er eine Balance für sich und seinen Hund findet denke ich.


    Man kann Hunde, die genetisch für Arbeit gemacht wurden aber meiner Meinung nach nicht 7 Tage rund um die Uhr zu kleinen ausgeglichenen Buddhas machen. Nur man selbst als Hundehalter sieht den Hund mit seinem Verhalten und den Stress, den er hat in seiner Gesamtheit und dann muss man nach seinem Bauchgefühl abwägen, ob es ok ist oder nicht und vielleicht auch einfach testen wo und wie man den Hund zusätzlich zum entspannen bringen kann.

  • warst du direkt mit ihr neben deinem Freund?

    Oder wart ihr ein paar Meter von ihm entfernt?

    Ansonsten ich kenne weiße als sehr kommunikative Brabbelhunde.

    Wir waren nicht direkt neben ihm, aber auch nicht super weit weg. Sie hat die Köder auf jeden Fall fliegen gesehen und war mehr als interessiert. Das mit dem "sehr kommunikativ" kann ich bestätigen, dass sie durch den Wald schreit als hätte man sie lebendig gegrillt musste dann aber doch nicht sein. ^^


    Was einem leicht passiert mit so einem Typ Hund, ist dass man "Capping" macht anstatt Ruhetraining.

    Schön zu wissen, dass es da sogar einen Begriff für gibt. Das habe ich bei Hiwa definitiv schon mehrfach erlebt und passiert auch recht schnell bei ihr. Wie bei Maline habe ich auch das Hinsetzen und Warten durch wenn der Hund vor dem Spaziergang schon hochfährt. Ich hätte früher echt Stunden warten können, bis Hiwa mal ruhig wird nachdem ich die Schuhe angezogen habe, da wären wir nicht mehr nach draußen gekommen.


    Es hört sich erstmal so an als hättet ihr im Alltag eine gute Balance und das ist erstmal das aller wichtigste würde ich sagen. Wenn die Routinen sitzen, können die Hunde Stress, den sie immer mal aus verschiedenen Gründen haben, denke ich zumindest gut kompensieren.

    Dass Hiwa allgemein im Alltag zu viel Stress hat, ist definitiv nicht der Fall. Die meiste Zeit des Tages ist sie echt tiefenentspannt. Das Beispiel mit dem Agility fand ich persönlich auch nicht schlimm. Hiwa war zu jeder Zeit ansprechbar, hat gut mitgearbeitet, hat Hindernisse auf Kommande auch "langsam" bewältigt. Aber das ganze halt mit ordentlich Pfeffer im Po und Frust wenn sie dann zwischendrin nichts tun durfte. Mich hat vor allem der Kommentar der Trainerin gewundert. Ich war eigentlich eher stolz, dass Hiwa trotz erstem Mal so klar im Kopf geblieben ist und mir den Platz nicht zusammengeschrien hat wie beim Angeln. :D


    In vielen Hundeschulen lernt man ja schon, dass ein Hund am besten immer entspannt durch jede Situation gehen sollte. Da habe ich mich insbesondere in den Pubertätshochphasen schon ab und an gefragt, ob ich was falsch mache, weil Hiwa in manchen Situationen innerhalb von Sekunden von 0 auf 180 war und dann auch absolut nicht mehr runter kam, es sei denn, man ist wirklich einfach komplett aus der Situation raus. Mittlerweile frage ich mich das nur noch in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei unserem Angelerlebnis . :S Aber ich bin optimistisch, dass wir das auch noch hinkriegen. Vielleicht wird der Zweithund eine Rasse, die als richtige Schnarchnase gilt. Einfach nur für den direkten Vergleich.