Welche Richtung nimmt die Zucht von Gebrauchshunden?

  • Angeregt von GeierWally mit dem Thema über Begriffe aus dem IGP Sport.


    Just heute morgen bin ich gestolpert über einen Post von Mia Skogster auf Instagram in dem sie genau auf diese Punkte eingeht, bzw. Fragen dazu stellt und zum Nachdenken anregt. Auch die Kommentare unter ihrem Beitrag fand ich ausgesprochen interessant. Daher habe ich den Beitrag von M.S. übersetzt und stelle den mal hier rein, damit wir dazu diskutieren können.


    Originaltext Mia Skogster, übersetzt:

    Harter Hund, solider Hund, resilienter Hund - verlieren wir diese Qualitäten?

    Es wird immer deutlicher, dass viele Arbeitshunde, insbesondere Malinois, einige der Qualitäten verlieren, die sie so außergewöhnlich machen. Die größten Defizite sehe ich heute bei der Nervenstärke, der Härte und dem Kampfgeist.

    Ein nervenstarker Hund kann sich unter Ablenkungen konzentrieren und bleibt in verschiedenen Umgebungen wie Tierarztbesuchen, lauten Geräuschen oder unterschiedlichen Untergründen ausgeglichen, stabil und ruhig, ohne überfordert zu sein. Er zeigt Selbstbeherrschung, bleibt ruhig, wenn er an der Reihe ist, und kann mit Herausforderungen gut umgehen.

    Ein harter Hund ist resilient. Er erholt sich von Rückschlägen, ohne sein Selbstvertrauen zu verlieren. Wenn im Training etwas nicht perfekt läuft, macht er weiter - er hält nicht an Fehlern fest oder lässt sich von der Stimmung des Hundeführers beeinflussen.

    Kampfgeist ist der Antrieb, hartnäckig zu bleiben und Herausforderungen mit Freude zu bewältigen. Es geht um mehr als mentale Entschlossenheit; es ist ein Hund, der im körperlichen Spiel aufblüht, der es liebt, immer wieder zu gewinnen, und der auch dann motiviert bleibt, wenn es schwierig wird.

    Leider sind diese Eigenschaften nicht mehr so weit verbreitet wie früher. Viele Hunde geben heute auf, wenn die Bedingungen schwieriger werden, und solides Temperament und Härte sind immer schwieriger zu finden.

    Es ist wichtig klarzustellen, dass Härte nicht gleichbedeutend ist mit Aggression, mangelnden sozialen Fähigkeiten oder einem extremen Bedürfnis, jede Situation zu kontrollieren. Ein Hund mit der richtigen Mischung aus Nervenstärke, Härte und Kampfgeist hat die Grundlage, um wirklich herausragend zu sein.

    Was meinen Sie dazu? Verlieren wir diese wichtigen Eigenschaften bei Arbeitshunden? Welche Eigenschaften werden Ihrer Meinung nach heute beim Malinois und anderen Gebrauchshunderassen am meisten benötigt?






  • Naja, wahrscheinlich wird die Balance halt schwierig zu züchten sein. Ein starker Hund wird anstrengend in der Ausbildung sein, vielleicht nicht so spektakulär im Ausdruck, mühsamer in der Erziehung.

    Der Trend geht ja offenbar zum 2-jährigen WM-Sieger, ich kann mir vorstellen, dass das mit gewissen Hundetypen realistischer ist als mit anderen.

  • Diese Diskussion gibt es immer wieder.

    Das große Problem ist, das man mit einem Hund, der die in dem Artikel beschriebenen Eigenschaften mitbringt, heute auf großen Prüfungen keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.

    Von Sportlern bevorzugt werden Hunde, die nervlich so angerissen sind, das sie im Konflikt aktiv werden. Das macht die Ausbildung leichter und die Hunde zeigen mehr "Ausdruck" in der Unterordnung. Im Schutzdienst werden die damit einhergehenden Schwächen ebenfalls durch die angerissenen Nerven und geschickte Ausbildung kaschiert.

    Wenn dann aber diese Hunde immer weiter miteinander verpaart werden, kippt das ganze und man bekommt immer mehr extrem nervenschwache Hunde, für die das Leben als solches schon ein Problem darstellt und die für den Sport, geschweige denn Dienst, nicht zu gebrauchen sind.

    Dazu kommt der Trend zur Ausbildung rein über positive Verstärkung. Das ist mit einem nervenstarken, harten Hund mit Kampfgeist utopisch. Dabei meine ich nicht, das diese Hunde nur mit Starkzwang auszubilden sind, aber um positive Strafe kommt man nicht herum.

  • Diese Diskussion gibt es immer wieder.

    Das große Problem ist, das man mit einem Hund, der die in dem Artikel beschriebenen Eigenschaften mitbringt, heute auf großen Prüfungen keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.

    Von Sportlern bevorzugt werden Hunde, die nervlich so angerissen sind, das sie im Konflikt aktiv werden. Das macht die Ausbildung leichter und die Hunde zeigen mehr "Ausdruck" in der Unterordnung. Im Schutzdienst werden die damit einhergehenden Schwächen ebenfalls durch die angerissenen Nerven und geschickte Ausbildung kaschiert.

    Wenn dann aber diese Hunde immer weiter miteinander verpaart werden, kippt das ganze und man bekommt immer mehr extrem nervenschwache Hunde, für die das Leben als solches schon ein Problem darstellt und die für den Sport, geschweige denn Dienst, nicht zu gebrauchen sind.

    Dazu kommt der Trend zur Ausbildung rein über positive Verstärkung. Das ist mit einem nervenstarken, harten Hund mit Kampfgeist utopisch. Dabei meine ich nicht, das diese Hunde nur mit Starkzwang auszubilden sind, aber um positive Strafe kommt man nicht herum.

    Dann kommen diese (Fehl-)Anreize aus dem Sport selbst?
    Das erinnert ja fast an die Hochzucht, bei denen zwar die prämiertesten Exemplare 5-jährig kaum noch laufen konnten, aber am Markt horrende Preise erzielten.


    Also auch hier: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

  • Persönlichkeitsmerkmale wie Zähigkeit, Härte, Ausgeglichenheit und wirklich gute Nerven in den Augen normaler Menschen nicht so leicht zu erkennen, und viele dieser normalen Menschen sind Züchter. Andererseits werden Eigenschaften wie Sanftheit und Sensibilität aufgrund des wilden Erbes der Hunde so leicht vererbt (ein sensibles Tier hat wahrscheinlich eher ein langes Leben als ein hartes und unvorsichtiges Tier), was dazu führt, dass diese Eigenschaften bei der Zucht immer stark einfliessen. Das Gleiche gilt für sehr selbstbewusste und ängstliche Hunde, nur um das zu verdeutlichen. Damals waren unsere Trainingsmethoden nicht so klug und nett wie heute, und das hat natürlich als Nebeneffekt stärkere Hunde hervorgebracht. Heutzutage müssen die Züchter also klüger sein als früher, wenn sie stärkere Hunde züchten wollen. Sie müssen mehr wissen. Sie müssen mehr trainieren, mehr lernen, oder zumindest müssen sie sich unter fachkundigen Hundetrainern befinden, damit sie diese Eigenschaften erkennen und sie für die Zukunft suchen können. Die meisten Hunde, selbst erfolgreiche, sollten nicht Teil eines Zuchtprogramms sein. Aber es ist schwer, nach den wirklich starken Hunden zu suchen, wenn man keine Augen hat, um den Unterschied zu sehen.


    Obiges ist ein Kommentar unter dem Beitrag von Mia Skogster.


    Wenn man aufgrund geänderter Trainingsmethoden weg will von harten, kompromisslosen Hunden, kommt mir der Gedanke ob sich Nervenstärke, Zähigkeit und Kampfgeist so gut in Kombination mit Sensibilität und Sanftheit kombinieren lassen in der Zucht. Ob das überhaupt realistisch ist, so ein Zuchtziel.

  • Dann kommen diese (Fehl-)Anreize aus dem Sport selbst?
    Das erinnert ja fast an die Hochzucht, bei denen zwar die prämiertesten Exemplare 5-jährig kaum noch laufen konnten, aber am Markt horrende Preise erzielten.


    Also auch hier: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

    Die Frage ist halt, ob es Fehlanreize sind.

    Oder macht es nicht sogar Sinn, wenn die Zucht in Richtung weiche, lustige Beutehunde geht, solange man darauf achtet, das die Nerven nicht zu schlecht sind. Solche Hunde sind im Alltag deutlich einfacher und für mehr Leuten zu Halten, als die "echten" wie sie gerne bezeichnet werden, die in unserer Gesellschaft eigentlich keinen Platz mehr haben.

    Das Leben ist Veränderung :)

    Klar, für den Dienst sind solche Hunde nicht zu gebrauchen, aber im Sport sind die meisten mit so einem Hund glücklich, zumal diese Hunde sich nicht nur für IGP, sondern für ganz viele Sportarten eignen.

  • Dann kommen diese (Fehl-)Anreize aus dem Sport selbst?
    Das erinnert ja fast an die Hochzucht, bei denen zwar die prämiertesten Exemplare 5-jährig kaum noch laufen konnten, aber am Markt horrende Preise erzielten.


    Also auch hier: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

    Ich glaube nicht vom Sport selbst, sondern von dem Druck der auf dem Sport lastet durch übergeordnete Instanzen wie die öffentliche Meinung und dadurch die Politik.


    Dadurch musste der Sport immer mehr angepasst werden und natürlich müssen die geeigneten Hunde für weitmöglichst gesellschaftskonformen Sport gezüchtet werden, die mit gesellschaftskonformen Methoden trainiert werden können. Btw ich bin der gesellschaftskonformste HF weit und breit aber mich nerven Auflagen und Einschränkungen prinzipiell.



    Ich bin nicht sicher ob es der richtige Kontext ist, aber ich beschreibe unsere letzte Vereinsprüfung:


    Unter den Zuschauern war eine grosse Gruppe langjähriger IGPler aus der Schweiz und Deutschland. Die Prüfungsteilnehmer waren ausschliesslich Hundesportler die in Spanien trainieren. Der Richter Spanier.


    Im SD der IGP1 erhielten einige Prüflinge recht hohe Punktzahl und die Zuschauer aus D und CH waren völlig von den Socken und konnten nicht verstehen was in dem Richter vorgeht. Der SD wäre in ihren Augen ganz klar nicht mal als bestanden durchgegangen in ihren Herkunftsländern. Einige HF hatten wenig Kontrolle über ihre Hunde.


    Die Erklärung ist einfach:

    In Spanien schaut der Richter (die meisten) in IGP1 als erstes auf die Qualität des Hundes. Die Kontrolle/Ausbildung/Trainingsstand ist erstmal zweitrangig und es werden deshalb grosszügig Augen zugedrückt, wenn klar zu erkennen ist, dass der Hund gute Qualitäten für den Schutzdienst hat.


    Für mich macht das eigentlich irgendwie Sinn. Wenn der Hund noch frisch und unverpackt durch Training ist, kann man am besten beurteilen wie seine natürlichen Veranlagungen sind.

  • Ob das überhaupt realistisch ist, so ein Zuchtziel

    Auf jeden Fall wird es anspruchsvoller für die Züchter und es würde vermutlich mehr "Ausschuss" geben, weil die Selektion anspruchsvoller ist?


    Die Erklärung ist einfach:

    In Spanien schaut der Richter (die meisten) in IGP1 als erstes auf die Qualität des Hundes. Die Kontrolle/Ausbildung/Trainingsstand ist erstmal zweitrangig und es werden deshalb grosszügig Augen zugedrückt, wenn klar zu erkennen ist, dass der Hund gute Qualitäten für den Schutzdienst hat.


    Für mich macht das eigentlich irgendwie Sinn. Wenn der Hund noch frisch und unverpackt durch Training ist, kann man am besten beurteilen wie seine natürlichen Veranlagungen sind.

    Wenn die Prüfungsordnung in Spanien das hergibt. Wenn nicht, und es einfach eine nationale Geflogenheit ist die sich da etabliert hat, dann sind IGP1 in Spanien und IGP1 in Deutschland/Schweiz nicht vergleichbar und ich kann die Reaktionen der Gäste verstehen.

  • Die Frage ist: Welchen Vergleichswert setzt man an? Wann war der Malinois angeblich härter, solider und resilienter als heute?


    Ich kenne Malinois seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und darunter schon immer auch vergleichsweise viele mit starken (teilweise ganz starken) nervlichen Einschränkungen. Bei einigen zog sich das durch den kompletten jeweiligen Wurf. Andere hatten teilweise "prominente" ( = im Spitzensport hoch erfolgreiche) Wurfgeschwister. Die damailgen Züchter in Belgien und den Niederlanden machten auch keinen Hehl daraus diesbezüglich stark zu "merzen" (bereits bei den Welpen) und lachten über die "dummen Deutschen", die Hunde mit diesbezüglichen Einschränkungen, die bereits im Welpen-/Junghundalter sichtbar wurden, weiter aufgezogen und nicht "gemerzt" haben.


    Von daher: Ab wann sollen die diesbezüglichen Gebrauchshundeeigenschaften beim Malinois angeblich nachgelassen haben? Erst nach Klärung dieser Frage könnte man erörtern ob das tatsächlich so ist. Oder ob es den Prozentsatz der Rasse, bei dem das so ist, "früher" ( = wann immer das gewesen sein soll) auch schon gegeben hat, man den aber lediglich nicht wahrgenommen hat (weil diese in Belgien, den Niederlanden und auch Frankreich ohne großes Fackeln von der Bildfläche verschwunden und somit nirgendwo in Erscheinung getreten sind).



  • Beim Mali wird viel zu wenig selektiert und viel zu viel vermehrt. Die zuchtzulassungen sind lächerlich. Ist halt in Mode.


    Bei der Deckrüdensuche sind mir Härte, Belastbarkeit, Nerven und Temperament/Arbeitswille wichtig. Rüden fahre ich mir vorher nach Möglichkeit im Training anschauen, nicht bloß auf Prüfung.


    Stören tut mich der Trend mit den Farben (sowohl Mali als auch DSH), das ist nicht so meins, aber jedem das sein.

  • Danke, das finde ich ist wirklich ein sehr wichtiger Ansatzpunkt!

  • Auf jeden Fall wird es anspruchsvoller für die Züchter und es würde vermutlich mehr "Ausschuss" geben, weil die Selektion anspruchsvoller ist?

    Meine Frage an die Zucht ist tatsächlich eher:

    Ist das Möglich? Ist das Geforderte überhaupt möglich??


    Ich bin kein Züchter und habe nicht die erforderlichen Kenntnisse aber mir scheint, dass es gar nicht möglich ist solche Nuancen stabil/homogen zu erzüchten und da es dann IMMER Hunde geben wird, die zurm einen oder anderen Extrem tendieren, wird es NIE Sinn machen Vorschriften und Verbote bzgl. Hundetraining zu machen, durch die bestimmte Hundetypen per se ausgeschlossen sind. Quasi einfach so tun als würden die nicht existieren.


    Wenn die Prüfungsordnung in Spanien das hergibt. Wenn nicht, und es einfach eine nationale Geflogenheit ist die sich da etabliert hat, dann sind IGP1 in Spanien und IGP1 in Deutschland/Schweiz nicht vergleichbar und ich kann die Reaktionen der Gäste verstehen.

    Die Prüfungsordnung in Spanien ist dieselbe wie die in D, A und CH etc. , die FCI IGP PO ;) Ich verstehe die Reaktion der Gäste natürlich und habe diese nicht kritisiert :)

    Ich glaube es liegt daran, weil in Spanien jemand nur eine IGP 1 macht, wenn er vorhat auch eine IGP 3 zu machen. Demgegenüber hat die 1 keine wirkliche Bedeutung, der SD in der IGP 1 ist hier quasi die BH für den Schutzdienst.

    Der Richter hier würde eher einem Hund wenig Punkte geben, wenn der Hund zu viel Unsicherheit zeigt oder generell keinen Bock hat oder womöglich total bekloppt ist.


    Ich habe es deswegen geschrieben, weil ich den Unterschied von "Das Wichtigste ist die Kontrolle" zu "Das Wichtigste ist ein geeigneter Hund", interessant finde.


    In der IGP 2 gibt es dann allerdings kein Pardon mehr. 8)