Hüten mit Deutschen Schäferhunden - ein Berufsschäfer erzählt

  • Da ja scheinbar doch viel Interesse an dem Thema besteht, nun denn fangen wir`s an??


    Ohne Schäfers Hunde keine Deutschen Schäferhunde -das gilt wohl auch für B,FR,NL ..............

    Die planmäßige Zucht des DSH begann ja tatsächlich mit Hütehunden verschiedener Schläge die ja als Altdeutsche Hütehunde (nicht verwechseln mit der Langstockhaarvariante des DSH)auch heute noch bei den Schäfern existieren und von der Arbeitsgemeinschaft Altdeutscher Hütehunde (AAH) betreut werden.

    Dieses Hütehundblut oder ist es genetische Prägung ?? findet sich mehr oder weniger auch in unserem heutigen Schäferhund, ausgeprägt natürlich in den Linien die vor allem über die Mutterlinien als Herdengebrauchshunde gearbeitet und gezüchtet werden. All die positiven Eigenschaften die dem Schäferhund nachgesagt werden , Lauffreude, Arbeitsfreude, Lernfähigkeit und und und befähigen den Hund zum Hüten, aber eigentlich ist es umgekehrt, all die Hütehundeigenschaften können für vielfältigste und unterschiedlichste Aufgaben mobilisiert und bei entsprechender Ausbildung abgerufen werden.

    Weil die DSH in der ersten Jahrzehnten der planmäßigen Zucht so beliebt und verbreitet wurde daß es gar nicht mehr genug Aufgaben für ihn gab wurde Hundesport "erfunden"


    Die Aufgaben des DSH als Hütehund:

    die sind eigentlich ganz simpel beschrieben, der HGH (Herdengebrauchshund) hat dafür Sorge zu tragen daß die Schafherde die ihnen zugewiesene Futterfläche nicht verlässt, nicht über die Grenzen frißt und somit auf Nachbargrundstücken Schaden anrichtet. Dies tut er idealerweise durch ständiges ablaufen der Grenze, durch selbständiges Erkennen wo durch die Herde evtl. der größte Druck aufs Nachbargrundstück entsteht um diesen Druck durch seine Präsenz zu vermeiden und die Bestrafung einzelner vorwitziger Schafe, sog Nascher, durch einen schadlosen Griff auf Nacken, Rippe oder Keule.

    Beim Trieb auf Straße oder Wegen hat der HGH (besser 2) die dem Schäfer folgende Herde genauso durch schnelles Pendeln an der Seite auf der Straße, dem Weg zu halten und möglichst bis zum Ende der Herde durchzuwehren daß nicht hinten ein Trupp Trödler doch in angrenzende Grundstücke zum Naschen verleitet wird.

    An Ecken hat der HGH aufzupassen daß die Ecke von der Herde ausgelaufen wird und nicht die hintere Hälfte eines langen Zuges die Ecke schneidet ,der Hund steht dabei am Eck oder pendelt sie aus,verhindert somit das Übertreiben. An Gefahrenstellen wie bei Ein- und Austrieb in den Pferch steht der Hund und läßt die Schafe an sich und der Gefahrenstellen vorbeilaufen.

    A


    Ist doch alles ganz einfach - oder?

    Foto: meine Fenja beim Trieb auf einem schmalen Weg, die hinteren Schafe laufen auf dem gegrubberten Acker, so sollte es nicht aussehen wenn der Acker Frucht tragen würde.

  • Hallo,

    schön das Du zu uns gefunden hast.

    Solltest Du technische Fragen oder Probleme haben, kannst Du mir gern eine Nachricht schreiben.


    Alle anderen Fragen werden Dir bestimmt in unseren passenden Foren beantwortet.


    Viel Spaß

  • Echt toll, wie die das machen. Hast Du Deine Hunde immer selbst ausgebildet oder gibt es da auch Spezialisten, die dabei helfen? Und wie lange dauert es bis ein HGH und ein Schäferhund seine Aufgaben übernehmen kann?

  • Spannend, vielen Dank, ich setz mich hier als Zuhörer mal dazu. Und hab auch gleich ein paar Fragen. Du hast in deinem Vorstellungsthema geschrieben, du hattest mal eine Hündin mit viel "Schafverstand" oder so, meinst du damit, dass sie sozusagen schon "vorhersagen" konnte, wo jetzt gleich welche beschließen mal eigene Wege zu gehen? Und nach welchen Kriterien würdest du einen Welpen aus einem Wurf auswählen, mit dem du arbeiten willst.

  • So ein Hütehund hat jede Menge zu tun. Sehr interessant, dass du als Berufsschäfer mal so aus dem „Nähkästchen“ plauderst und darüber erzählen magst.

    Ich werde hier auch gerne mitlesen.

  • Ich habe hier schon mal zugesehen, als ein Leistungshüten stattgefunden hat. War auch sehr interessant und wenn das dieses Jahr wieder stattfinden sollte, werde ich ganz sicher wieder zugucken.


    Wirklich faszinierend, wie die Hunde arbeiten.

  • Dieses Hütehundblut oder ist es genetische Prägung ?? findet sich mehr oder weniger auch in unserem heutigen Schäferhund, ausgeprägt natürlich in den Linien die vor allem über die Mutterlinien als Herdengebrauchshunde gearbeitet und gezüchtet werden.

    Ich lehne mich jetzt mal ein bisschen weit aus dem Fenster und behaupte dass zumindest in den Leistungslinien das "Hüte-Gen" bei den meisten Hunden problemlos "aktivierbar" ist. D.h. wenn sie Gelegenheit erhalten und man sie entsprechend ruhig und sachlich an eine Herde Schafe oder auch Rinder heran führt, braucht man gar nicht viel zu machen, sondern die Hunde nur durch Hörzeichen, die sie bereits kennen, etwas anzuleiten. Und man erkennt dann sehr gut dass die Hunde so manches instinktiv abspulen, was für das Hüten die Voraussetzung ist.


    Ich bin mal früh Morgens mit meiner damaligen Schäferhündin in eine wenige Tage zuvor frisch gepflanzte Holunderplantage gefahren, um dort mit dem Düngen der Setzlinge zu beginnen. Eine Schafherde, die daneben eingepfercht worden war, war in der Nacht ausgebrochen und hatte sich über die frischen Pflänzchen her gemacht. Mir gelang es mit meiner Hündin, die bis dahin Schafe nur aus weiter Ferne gesehen hatte, die komplette Herde erst aus dem Holunder raus zu treiben und anschließend von der angrenzenden Straße fern zu halten. Meine Hündin hat eigenständig auf der einen Seite am Straßengraben "die Furche gehalten", während ich zwischen den Schafen und dem Holunder hin und her gelaufen bin. EIne weitere Person, die nach mit angekommen war, hatte inzwischen den Schafhalter verständigt, der mit seinen zwei Hunden dann auch irgendwann eingetroffen ist. Diese beiden Hunde, die den ganzen Winter über nicht gehütet hatten (die Schafe waren über Winter in einer großen Scheune untergebracht), haben es dann zusammen nicht geschafft die Herde wieder auf ihre Wiese zurück zu treiben... 8) Das haben wir dann zu dritt zusammen mit meiner Hündin erledigt.


    Dann habe ich Freunden von mit eine junge Schäferhündin überlassen. Die haben einen Betrieb u.a. mit Milchvieh, welches damals von Frühjahr bis Herbst tagsüber auf die Weide ging. D.h. eine relativ große Herde (so um die 70 Kühe) bewegte sich morgens und spät nachmittags ein ganzes Stück durch's Dorf und bis zu 2 km über Landstrassen und Feldwege. Mit vier Personen war man unterbesetzt, besser waren fünf oder sechs Begleiter. Innerhalb meines Urlaubs (3 Wochen) konnte eine Person die Herde mit Hilfe der Hündin alleine problemlos rein- und raus treiben.


    Bei viele DSH's macht der Hütetrieb sogar Probleme. Z.B. wenn sie beim Reiten mitlaufen sollen. Ich kenne mehrere Fälle in denen die Hunde dann versuchten mehrere Pferde einer Gruppe zusammen zu treiben. Oder die hinter dem Pferd dauernd eng von links nach rechts wechseln und wieder zurück, und im Laufe des Ausritts nicht ruhiger, sonden immer hektischer werden. Oder beginnen fußballspieleden Kinder zu hüten... 8) Hier bei mir darf der Rasenmäher gehütet werden. Bei eine meiner Hündinnen war ich abgemeldet sobald die Garage offen stand. Sie hat dort felsenfest gestanden und notfalls stundenlang auf das "Auspferchen" gewartet... ^^ Wenn ich ihr dann den Gefallen getan habe endlich los zu fahren, dann wurde der fahrende Mäher auch bei über 30°C die ganze Zeit über in der prallen Sonne gehütet. Und das kann hier schon mal 4 bis 5 Stunden dauern. Wer weiß wie oft ich mit dem Mäher in die Hecke, den Graben oder den Zaun gefahren wäre, wenn sie nicht die ganze Zeit so gut aufgepasst und sich entsprechend angestrengt hätte??? ^^


    Es gibt ja inzwischen diesen "Hüte-Instinkttest" (leider hat man viel zu selten die Möglichkeit an diesem teilzunehmen). Ein Welpenkäufer von mir hat mit seinem Hund völlig unvorbereitet daran teilgenommen (d.h. der Hund hat an diesem Tag zum ersten Mal Schafe gesehen aus eine Entfernung unter 50 m), und der Leistungsrichter war absolut überzeugt von dem Hund. Und ein Rüde aus meiner Zucht, der im VPG-Sport auf der Bundessiegerprüfung war (und nie an irgendwelchen Schafen gearbeitet hat), wurde von einem Schäfer und SV-Leistungsrichter hier in unserer Gegend zweimal zum Decken eingesetzt.


    Die Instinkte, auf denen der Hütetrieb basiert, sind also immer noch da und aktivierbar in unseren Leistungslinien. Was in manchen Fällen die Hunde in diesem Bereich unbrauchbar macht ist dass manche Hunde "zu viel Dampf" haben trieblich. D.h. sich derart "in Rage" arbeiten würden dass man sie nicht mehr leiten und lenken kann, nicht mehr mit Hörzeichen zu ihnen vordringen kann, sie sich im Trieb immer weiter hoch fahren. Diese Hunde zeigen das selbe Problem aber auch im Schutzdienst und teilweise in der Unterordnung und gelten dann ganz schnell als "unführbar" (oder konnten nur mit sehr viel Geschick und viel technischem Hilfswerk im Sport geführt werden).

  • Echt toll, wie die das machen. Hast Du Deine Hunde immer selbst ausgebildet oder gibt es da auch Spezialisten, die dabei helfen? Und wie lange dauert es bis ein HGH und ein Schäferhund seine Aufgaben übernehmen kann?

    in den ersten Berufsjahren hab ich ab und zu einen ausgebildeten Hund zugekauft bis ich merkte dass ja nie die Besten abgegeben werden.

    von da an hab ich mich im Ausbilden ausgebildet und dann auch, als ich meine Linie gefunden hatte meinen Nachwuchs selber gezüchtet. Die Ausbildung an der Herde beginnt mit ungefähr einem Jahr, das erste Jahr an der "Mannseite" der Herde später auch an der Seite gegenüber. Die HGH-Prüfung hab ich mit den Prüfungshunden mit ca. 2 Jahren absolviert, ausgelernt waren die dann aber i.d.R. noch nicht, es hat aber für ein gut oder sehr gut gelangt.

  • Ich finde das so erstaunlich und faszinierend wie man es schafft, dass der Hund willig und triebvoll arbeitet ohne jedoch die Tiere zu verletzen. Ich meine, man muss sich das mal klarmachen, in freier Wildbahn wäre das alles Futter. Also meine (zwar auch alles Schäferhunde :D ) würde die Schafe jagen bis die vor Aufregung und Erschöpfung umfallen würden. =O

  • Ich lehne mich jetzt mal ein bisschen weit aus dem Fenster und behaupte dass zumindest in den Leistungslinien das "Hüte-Gen" bei den meisten Hunden problemlos "aktivierbar" ist. D.h. wenn sie Gelegenheit erhalten und man sie entsprechend ruhig und sachlich an eine Herde Schafe oder auch Rinder heran führt, braucht man gar nicht viel zu machen, sondern die Hunde nur durch Hörzeichen, die sie bereits kennen, etwas anzuleiten. Und man erkennt dann sehr gut dass die Hunde so manches instinktiv abspulen, was für das Hüten die Voraussetzung ist.

    ja, auch ich hab mal mit einem Leistungsrüden gedeckt, aus diesem Wurf sind fast alle Welpen zu Schäfern gegangen, habe selber 2 Hündinnen behalten wurden gute Hütehunde aber komischerweise nicht körfahig, am Platz null Bock auf Beutespielen Beißwurst o.Ä. Vielleicht hätte man sie über den Wehrtrieb wecken können, das wollte ich aber nicht.

    Im Hintergrund meine Delia, Vater Leistungsrüde mittlerweile 11 Jahre alt und noch recht fit

  • Spannend, vielen Dank, ich setz mich hier als Zuhörer mal dazu. Und hab auch gleich ein paar Fragen. Du hast in deinem Vorstellungsthema geschrieben, du hattest mal eine Hündin mit viel "Schafverstand" oder so, meinst du damit, dass sie sozusagen schon "vorhersagen" konnte, wo jetzt gleich welche beschließen mal eigene Wege zu gehen? Und nach welchen Kriterien würdest du einen Welpen aus einem Wurf auswählen, mit dem du arbeiten willst.

    mit Schafverstand meine ich genau das, wenn der Hund selbständig wahrnimmt wo die Herde den meisten Druck erzeugt und das durch seine Präsenz unterbindet, in welcher Geschwindigkeit er mit der Herde mitzieht ohne die Tiere beim Fressen zu stören.

    Welpenauswahl? wohl die gleichen Kriterien wie fürn Hundesport,Spieltrieb, Neugierde, Offenheit,frei von Angst.