Ihr Lieben,
bald ist es in Niedersachsen wieder soweit, dass alle Hunde vom 1. April bis zum 15. Juli an die Leine müssen.
Wenn es um den Schutz des Wildes und seiner Nachzucht geht, bin ich selbstverständlich der Meinung, dass man alles dafür tun sollte, dass Rehe, Kaninchen, Feldhasen und die Vögel, die im Wald brüten, ihre Tierkinder ungeestört aufziehen können müssen ... ich störe mich aber extrem daran, dass die Schonzeit, in der auf kein Tier Jagd gemacht werden darf, hier in Niedersachsen nur den Februar betrifft - und auch in diesem Monat wird geballert und zwar auf Tauben, weil das unter Schädlingsbekämpfung fällt.
Ab 1. Mai wird beispielsweise wieder zur Bockjagd geblasen ... und ob die Ricken wissen, dass es nicht ihnen und ihren Kitzen ans Leben geht, sondern ihren Kerlen und den Vätern ihrer Kinder, bezweifle ich. Statt dessen äußere ich den ketzerischen Gedanken, dass sich so ein tragendes Reh oder eins mit Kitz bei Fuß, vermutlich genauso bei der Aufzucht gestört fühlt, wenn die Jäger mit ihren bellenden Hunden durch den Wald stöbern, wie wenn der Gassigeher seinen Hund nicht an der Leine führt ... wobei ich sogar die steile These vertrete, dass der Gassigeher mit seinem unangeleinten Hund das Wild weniger verstört, wie die Jagdgesellschaft, die Böcke, Hasen und Fasane erschießt.
Vor allem stört mich aber, dass jeder Hundehalter dazu gezwungen ist, seinen Hund anzuleinen - und das fast den ganzen Sommer lang und unabhängig davon, ob der Hund stöbert, jagt oder einfach nur auf dem Weg bleibt und sich gar nicht für das Wild und seine Brut interessiert.
Wir leben ja hier mitten in zwei Jagdgebieten: Grandorf und Lorse. Die Grandorfer Jäger sehen das mit dem Leinenzwang recht entspannt. Die Lorser meckerten mich auch schon Anfang März an, dass ich meine Hunde an die Leine nehmen soll.
Meine Hunde jagen nicht, sind zu 98% abrufbar (die zwei Prozent sind die, wenn andere Hunde rennen und meine halt mitflitzen, ohne Interesse am Wild zu haben), stöbern nicht, bleiben auf den Wegen und stellen auch keine Gefahr für das Wild und seine Brut dar. Im Gegenteil: Letztes Jahr wurden wir gleich zweimal von einem testosterongesteuerten Böckchen in der Brunft angegriffen und hatte Chia nicht doch irgendwann gebellt, als der zweite der Gabelträger mit gesenktem Gehörn und keuchende Geräusche von sich gebend, auf uns Kurs nahm, wäre die Runde wohl an den Bock gegangen. So schritt er dann von dannen ... und einem Jäger vor die Flinte. Am Ende hat er dann doch noch verloren und auch wenn ich ihm in dem Moment, in dem er zum Angriff auf uns blies, nicht viel Gutes wünschte, hätte ich ihm gegönnt, dass man ihm nicht sein Leben stiehlt.
Mein Nachbar ist auch Jäger und - wie ich schon schrieb - was den Leinenzwang angeht, auch meiner Meinung, dass er nicht so pauschal ausgesprochen werden dürfte. Er fände es gut, wenn es eine Prüfung gäbe, bei der die Hunde beweisen müssen, dass sie für das Wild und die Brut keine Gefahr darstellen und wenn sie die Prüfung bestehen, eine Marke ans Halsband bekommen, die ihnen auch während der Brut- und Setzzeit den Freilauf erlaubt. Ich würde die sofort ablegen wollen.
Allerdings gibt es seit Corona aus meiner Sicht viel größere Bedrohungen für das Wild und seine Brut, als die Hunde, die unter Aufsicht durch den Wald laufen. Wenn ich sehe, dass der Wald bei schönem Wetter zum Parkplatz für Ausflüglerfahrzeuge wird, Moto-Crossfahrer sich nicht abhalten lassen, die Walderde zu Schanzen aufzuhäufen, um mal so richtig abzuheben und die Wege zu Gräben verunstalten, Fahrradfahrer die Wege verlassen, um ihr Mountain Bike auf seine Tauglichkeit zu prüfen und ganze Scharen von Joggern, Stockschwingern, Eltern mit Kindern jeden Alters, die sich auf Kettcars und Bobbycars fortbewegen und einen Lärm veranstalten, als wäre der Wald ein Abenteuerspielplatz und Quadfahrer einen fast über den Haufen brettern, wenn man nicht schnell genug ins Gebüsch hüpft, dann frage ich mich, ob man nicht lieber was gegen diese Wandvandalen unternehmen sollte, damit das Wild in der Brut- und Setzzeit seine Ruhe hat, anstatt den Hundehaltern aufzuerlegen, dass ihre Vierbeiner an die Leine müssen.
Zumindest kann ich sagen, dass ich gerade heute früh um sieben Uhr ein Rudel Rehe auf dem Feld beobachten konnte, das sich auch vom Anblick meiner beiden Hunde nicht stören ließ, das Grün vom Acker zu rupfen. Sie schauten zwar zu uns rüber, aber als sie sahen, dass wir kein Interesse an ihnen haben, hatten sie auch keins an uns.
Für sie uns uns hätte es also keinen Unterschied gemacht, ob meine Hunde an der Leine oder frei gelaufen wären und an diesem Punkt wünsche ich mir, genau wie mein jagender Nachbar, dass man die Leinenplicht nicht pauschal ausspicht, sondern den Hundehaltern und ihren Hunden die Chance gibt zu beweisen, dass sie keine Gefahr für das Wild und seine Brut darstellen ... und weitaus weniger bedrohlich sind, wie die Sonntagsausflügler, die man seit Corona auch von Montag bis Samstag im Wald trifft. Oder die Jäger, die jederzeit im Wald rumballern dürfen, wenn sie auf das schießen, was sie gerade jagen dürfen.