Guten Abend,
der ein oder andere kennt uns ja vielleicht schon mit unserer Hündin Sonja. Gute Nachrichten vorweg: Wir haben den Hundekurs mit Bravour bestanden. Alles lief perfekt. Übungen super geleistet, sie hat eine sehr starke Bindung, mit fremden Hunden ging es. Selbst als Musterbeispiel durfte sie herhalten, um zu zeigen, wie Übungen gehen und als Klassenbeste abgeschlossen. Wir sind natürlich sehr stolz. Haben sehr hart und intensiv trainiert, an uns selbst gearbeitet, mit verschiedenen Trainern und verschiedenen Vereinen und es geht definitiv bergauf. Mit Fremden und Verwandten läuft die Eingewöhnung sehr gut, wir können Sonja auch gut lesen und sie selbst ist auch sehr entspannt. Sie ordnet sich unter, hat eine sehr starke Bindung und ist wachsam. Im Verein wurde klar gesagt: 0% aggressiv. Rassebedingte Unsicherheit und eben sehr wachsam. Ängstlich ist sie, aber mit Gewöhnung legte sich das jeweils. Die ersten Tage waren natürlich stressig für sie, aber schließlich lief sie immer schwanzwedelnd zu den Trainern und war ganz heiß darauf, mit uns zu arbeiten (Springen, Slalom, Laufen, etc.).
Die Bindung zu uns ist sehr stark. Zwei "Damen" im Kurs waren munter mit Lästern über den schwarzen Schäferhund beschäftigt. Aber bei den Übungen drehte sich das Blatt. Sonja durfte den anderen zeigen, wie die Übung geht. Während dem Labradorrüden der einen "Dame" die Aufgaben herzlich egal waren ebenso wie ihre frustrierten Versuche, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen; hatte der gescheckte Mischling der anderen "Dame" Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und war ungehorsam. Eine schöne Übung: Hund bleibt angeleint beim Trainer, Besitzer entfernt sich und ruft dann. Einige Hunde kamen angeschossen, andere locker angetrottet, die einen liefen dann lieber zur Gruppe oder an den Zaun und andere legten sich ungerührt hin.
Sonja aber wurde abgeleint, sollte sich setzen und der Besitzer (in dem Fall mein Vater) joggte weg. Sie zitterte zwar, beherrschte sich aber. Und auf "Los" kam sie dann angeschossen.
Im Haus und auf dem Grundstück läuft es auch sehr gut. Sie hört top und macht Übungen eifrig und gerne mit.
Auch das Gassigehen ist inzwischen größtenteils entspannt. Wir üben fleißig mit Richtungswechseln nach dem Angeln-Prinzip ("Hund einholen"), auf einzelne Strecken ist die Leinenführigkeit super, Aufmerksamkeit beim Leinenführer und gegenüber Fremden zwar wachsam, aber endlich gehorsam und an uns orientiert. Sie guckt von sich aus zu uns, reagiert auf das Ansprechen und lernt auch sehr schnell. Die Trainer lobten sie sehr und meinten, sie lernt ungewöhnlich schnell. Im Garten und auf freiem Gelände üben wir fleißig. Sie hat auch Hundefreundschaften geschlossen und beim Toben mit fremden Hunden klappt alles super. Ist sie angeleint und sieht fremde, große Hunde, zieht sie, ist aber deutlich neugierig mit wedelnder Rute. Wir besuchten regelmäßig den Hundewald für Kontakte. Sie weiß sich auch sehr gut zu integrieren und das Spiel tut ihr sichtlich gut.
Was ist das Problem? Kleine Hunde, die kläffen/knurren. V.a. kleine weiße Hunde.
Der Auslöser für diesen Trigger: Unser Nachbarshund, ein kleiner, weißer Malteser oder Terriermix. Ein notorischer Kläffer, seit mehreren Jahren geht das schon so. Der kam schon zweimal in unseren Garten und attackierte unsere Katze vor einigen Jahren. Schnappte nach mir, jagte meinen kleinen Bruder auf dem Fahrrad, kläfft und stänkert fremde Hunde an und war einmal beim Gassi abgeleint, lief auf meine Mutter mit Sonja zu, verbiss sich in ihrer Flanke, während meine Mutter sich mit Sonja im Kreis rückwärts drehte, weil Sonja sich zu wehren versuchte. Gesprächsversuche verliefen im Sande und wurden ignoriert.
Seit dem Beißvorfall reagiert sie sehr negativ auf fremde, weiße, kleine Hunde. Bei bloßem Sichtkontakt spannt sie sich an, fixiert, ignoriert alles (Leckerli und Ansprechen) und wirft sich in die Leine, sobald der fremde Hund knurrt/bellt und/oder auf sie zu hüpft. Es ist auch sehr anstrengend und wir sind da im Teufelskreis. Einerseits heißt es, wenn wir sie kurz und straff nehmen, bestärkt sie das in ihrem Alarmzustand. Andererseits, wenn wir immer im Bogen ausweichen, hilft das nix an der Sache, sondern jeweils nur zum Ausweichen.
Sie hat die 35 Kg längst geknackt. Auf Empfehlung der Trainer versuche ich stets, wenn ich nicht ausweichen kann, ihr die Sicht zum fremden Hund zu nehmen und mich zwischen ihr und dem fremden Hund zu positionieren. Was macht aber Sonja? Drückt mit voller Kraft dagegen. Sie stellt sich so hin, dass sie im 90° Winkel zu meinem Knie zu mir steht und schiebt mit aller Kraft nach vorne. Mit dem Kopf weicht sie stets aus, sodass sie den Fremden sehen kann, ignoriert Futter und Leckerlis und ist stets bereit zum Sprung. Ich weiß inzwischen, wann der Sprung kommt, aber es ist sehr anstrengend und schon frustrierend. Wenn ich ausweichen kann, gehe ich stets im großen Bogen vorbei und schleife Sonja vorbei, aber bspw. in Gassen oder wenn wir "überrascht" werden, ist es sehr schwer.
Meist zieht sie nur sehr stark, aber wenn der fremde Hund anfängt zu pöbeln, knurrt sie zurück. Bellen tut sie von sich aus nicht und das auch selten. Sie ist allgemein eher bellfaul.
Heute Abend aber war es sehr schwierig. Auf einem eingezäunten Gelände fegte ein kleiner weißer Hund auf und ab und bellte sehr laut. Sonja hat dermaßen gezogen und aktiv gegen meine Beine geschoben, dass ich sie nur am Halsband packen konnte und vorbei bin. Das kann aber auf Dauer nicht so weitergehen! Sie steigert sich nur noch mehr ein, ignoriert völlig, dass sie durch ihr Ziehen keine Luft bekommt und fixiert nur den Kläffer. Vorhin fing sie dann an zu röcheln und hatte Speichel am Maul und hat dann gehustet und gewürgt. Ich habe sehr große Bedenken, dass das Schäden verursacht. Sowas wie heute passiert aber sehr selten. Normal kriege ich sie vorbei, aber heute war das auch eine schmale Gasse.
Im Hundeverein wurde uns gesagt, wir müssen das mit Trigger üben, jetzt haben wir aber den zweiten Lockdown. Laut "Diagnose" hat sich das bei Sonja definitiv als Gefahr eingebrannt nach dem Beißvorfall und es wird sehr lange dauern. Jetzt sind wir auf uns allein gestellt.
Ich persönlich bin sehr ratlos und würde mich sehr über Vorschläge und Tipps freuen. Habt ihr ähnliche Erfahrungen mit solchen Triggern? Das ist im Augenblick unser einziges Problem. Leinenführigkeit, Unsicherheit, Umgang mit Fremden und Gehorsam/Unterwerfung laufen inzwischen sehr gut wie gesagt und der lange Hundekurs wurde mit Bravour bestanden.
Jetzt zuhause ist sie wieder sehr entspannt und schelmisch. Aber weiße Hunde werden natürlich nicht verschwinden und wir wollen diese Hürde noch schaffen.
LG