Mario Jessat: Meine Rudelwanderung - Mit Hunden unterwegs
Als ich den Tipp hier im Forum erhielt und ich mich zunächst im Internet ein wenig umsah, dachte ich, oh Gott, schon wieder einer der selbst ernannten Hundegurus; der seine Methoden für das Nonplusultra hält; der offensichtlich den schönen Seiten des Lebens wie Essen, Trinken, Rauchen, Frauen nicht gleichgültig gegenübersteht, eine viel jüngere Frau an seiner Seite hat, die für ihn die Arbeit macht; und sein bewegtes Leben voller neuer Anfänge sicher als Suche nach dem Sinn und dem eigenen Ich ausschreit.
So ist das mit den Vorurteilen: Schon die Homepage hat mich eines Besseren belehrt, umgehauen aber hat mich das Buch. Natürlich nicht nur durch die gemeinsame Ossivergangenheit, die familiäre Erfahrung mit der Grenze und ihren Hunden; sondern vor allem weil das Buch im Gegenstz zu vielen ähnlichen anderen ein sehr gutes und uneitles ist. Der Autor liebt sicher sich auch; aber mehr noch seine Hunde und er verschweigt nichts. Er erzählt die positiven Seiten der Mehrhundehaltung, aber auch die Niederlagen und die vielfältigen Erfahrungen, die man als Hundemensch so macht, bis hin zu Situationen, wo man die eigenen Streithähnerüden verdreschen muss, um endlich Ruhe und Frieden herzustellen.
Beinahe alle Themen der Rudelhaltung werden humorvoll und immer allzu menschlich angesprochen und Mario Jessat redet Klartext, wo es angezeigt ist. Fern jeder Romantik und Fernsehsentimentalität wird ein realistisches Bild der Mehrhundehaltung gegeben, die in Deutschland wohl auch nur noch in ganz bestimmten Fällen möglich sein wird; fernab der großen Zentren und immer noch mit anderen wirtschaftlichen Standbeinen. Von Welpenverkauf, Hundeplatz, Ausbildung, Hundefutterherstellung und eigener Website wird man dennoch schwerlich leben können als größere Familie.
Wunderbar auch der Aufbau des Buches: Aufhänger ist ja die Vorbereitung und Durchführung der Wanderung entlang des Grünen Bandes der ehemaligen innerdeutschen Grenze, aber sehr schön organisch ineinander verzahnt wird die Lebensgeschichte des Autors von ihm selbst ohne Pathos und immer mit Augenzwinkern und ehrlicher Selbstkritik referiert, die Übergänge zwischen den Zeitebenen wirken nicht künstlich und passen immer. So erfährt man nicht nur viel Wesentliches zum Thema Schäferhund und Co., sondern auch zur gesamtdeutschen Geschichte, natürlich mit Schwerpunkt DDR; und über Biografien und Lebensgeschichten von Menschen, die mit Hund und Grenze zu tun hatten.
Fazit: Ein Buch, das man als Hundenarr gelesen haben sollte und das hoffentlich auch bald bei Amazon zu haben ist, um den Käuferkreis zu erweitern.