1 Was hilft bei Angst vor Feuerwerk?
Es gibt unzählige Tipps, allerdings wenige Studien darüber, wie effektiv die verschiedenen Methoden beziehungsweise Mittel sein können.
Stefanie Riemer von der HundeUni Bern hat nun die Effektivität verschiedener Maßnahmen untersucht. Mithilfe eines Fragebogens wurde ermittelt, wie häufig welche Methoden eingesetzt werden und welche Erfolge aus Sicht der Besitzer damit erzielt werden können.
Insgesamt wurden 1225 Antworten ausgewertet. Davon zeigten mehr als die Hälfte der Hunde eine ernstzunehmende Angst vor Feuerwerk.
In der folgenden Tabelle ist aufgelistet, wie viele Teilnehmer*innen jeweils welche Gegenmaßnahme ergriffen haben:
Hier siehst du, wie viel Prozent der Besitzer mit der entsprechenden Methode einen positiven Effekt beobachten konnten:
Durch Besitzer berichtete Wirkung verschiedener Mittel und Methoden gegen Silvesterangst. Aus der Grafik ist deutlich ersichtlich, dass lediglich zwei der Trainingsmethoden sowie die verschreibungspflichtigen Medikamente für die Mehrheit eine wahrnehmbare Besserung zeigten. Bei anderen vielbeworbene Methoden/Mitteln konnte hingegen nur selten ein Erfolg beobachtet werden. Dieser ist dann durch den Placeboeffekt erklärbar.
1.1 Verschreibungspflichtige Medikamente
Bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten hing die Wirkquote vor allem von den verwendeten Wirkstoffen ab. Am häufigsten wurde Alprazolam verschrieben, wonach in 90% der Fälle auch eine Besserung der Feuerwerksangst beobachtet werden konnte. Bei Dexmedetomidin, Diazepam und Trazodon wurde hingegen nur eine Wirkrate zwischen 50 und 75% berichtet. Die anderen Medikamente wurden unter den befragten Besitzern zu selten verschrieben um eine klare Aussage über die Effektivität treffen zu können.
An dieser Stelle sei auch nochmal darauf hingewiesen, dass Acepromazin NICHT als Mittel gegen Silvesterangst taugt. Der Tierarzt Ralph Rückert schriebt auf seinem Blog dazu:
Geben Sie Ihrem Hund auf gar keinen Fall Acepromazin! Dieses Phenothiazin-Derivat ist ein Neuroleptikum und Sedativum und wird unter den Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan vertrieben. Acepromazin wurde früher weit verbreitet an Silvester eingesetzt und hat dabei von außen betrachtet eine gute Wirksamkeit gezeigt, sprich die Hunde waren richtig platt. Seit geraumer Zeit wissen wir aber, dass das Geräuschempfinden und die damit verbundene Angst der Patienten durch den Wirkstoff nicht wirklich eingeschränkt werden. Der Hund hat also keinen Deut weniger Angst als sonst, er ist nur körperlich unfähig zu erkennbaren Reaktionen. Das ist natürlich eine ganz fiese Sache, also Finger weg!
1.2 Trainingsmethoden
Vor allem eine Gegenkonditionierung – also das Verknüpfen von Feuerwerk mit angenehmen Reizen wie zum Beispiel Futter oder Spiel – stellte sich als sehr effektiv heraus. Mehr als 2/3 der befragten Halter konnten hierdurch eine Besserung feststellen.
Ebenso hoch war auch die berichtete Erfolgsrate beim Entspannungstraining. Hierbei soll der Hund zunächst in einer ruhigen Situation entspannen. Dies kann auch unterstützend durch Streicheln und leichte Massagen erreicht werden. Wenn der Hund völlig entspannt ist, wird die Situation mit einem Signal, zum Beispiel einem Wort oder einem Ton, verknüpft. Nach erfolgreicher Konditionierung kann dieses Signal dazu beitragen, dass der Hund auch in stressigen Situationen leichter entspannen kann. Selbstverständlich muss das Training sehr kleinschrittig erfolgen.
Wichtig dabei ist, dass sich auch vorbeugendes Training lohnt! In einer zweiten Studie konnte Stefanie Riemer zeigen, dass Hunde, mit denen bereits im Welpenalter gegen Geräuschängste trainiert wurde, kaum Angst vor Feuerwerken ausbilden. Aber auch im Erwachsenenalter führte präventives Training – also bevor die Feuerwerksangst tatsächlich eintritt – zu deutlich reduzierten Angstreaktionen. Hunde ohne vorheriges Training litten hingegen häufig unter starker Feuerwerksangst.
Hunde, die bereits als Welpe oder auch im Erwachsenenalter ein präventives Training gegen Geräuschangst durchlaufen haben, zeigen weniger stark ausgeprägte Feuerwerksangst, als Hunde, mit denen nicht trainiert wurde.
1.3 Druckwesten und Geräusch-CDs
Nur 44% der Besitzer, deren Hunde ein Thundershirt oder ähnliche Produkte trugen, konnten positive Auswirkungen in den Reaktionen auf Feuerwerk beobachten. Dabei ist unklar, inwieweit sich diese Effektivtätsrate durch einen möglichen Placeboeffekt erklären lässt (siehe auch weiter unten) oder ob es darüber hinaus tatsächlich eine Wirkung gibt.
Auch die beschriebene Effektivität von CDs mit Feuerwerksgeräuschen ist mit 55% relativ gering.
1.4 Alternative Methoden
Sämtliche „alternative Methoden“ zeigten gerade einmal eine Effektivitätsrate von 27-35%. Das ist auch der ungefähre Wert, den man aufgrund des Placebo-Effekts erwarten würde (Literatur zum Placeboeffekt bei Tieren findest Du weiter unten). Homöopathische Mittel, Nahrungsergänzungen (z.B. Zylkene, Tryptophan), ätherische Öle, pflanzliche Mittel, pheromonhaltige Mittel (z.B. Adaptil) und Bachblüten konnten also keine Wirkung erzielen, die über den Placeboeffekt hinaus geht. Vermutlich spielt hier der sogenannte „Caregiver Effekt“ (auch Placebo by proxy genannt) eine wichtige Rolle.
1.5 Fazit
Im Idealfall trainiert man mit seinem Hund rechtzeitig und präventiv gegen Geräuschangst. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Angst vor Feuerwerk ausprägt recht gering. Mit dem Training sollte man mehrere Wochen, besser noch Monate vor Silvester beginnen.
Wenn ein Hund bereits Angst vor Feuerwerk zeigt, stellen Gegenkonditionierung und konditionierte Entspannung die geeignetsten Trainingsmethoden dar, um eine Verbesserung zu erreichen. Auch die Gabe von psychopharmakologisch wirkenden Medikamenten kann eine wirksame Therapie sein. Hier sollte man sich vom Tierarzt des Vertrauens beraten lassen.
Die Anwendung einer Druckweste (z.B. Thundershirt) sowie der Einsatz von CDs mit Feuerwerksgeräuschen zeigen durchwachsene Ergebnisse. Sie sollte man nicht einzeln, sondern in Kombination mit den genannten Trainingsmethoden einsetzen.
Sämtliches „alternativen“ Methoden zeigen keine Wirkung, die über einen erwarteten Placeboeffekt hinaus geht. Weder Bachblüten, Homöopathika, Pheromone, ätherische Öle noch Futterzusätze, wie zum Beispiel Zylkene, konnten als effektive Maßnahmen gegen Silvesterangst bestätigt werden.
hier ein Link zur Desensibilisierung